Psycholytische Therapie: Psychedelika in der Psychotherapie

Psychedelika in der Psychotherapie

Die Forschung zur Behandlung psychischer Erkrankungen wird in unterschiedlichen Ländern zur Zeit stark intensiviert. Mit Esketamin wurde etwa 2021 in Deutschland ein Nasenspray zur Behandlung der therapieresistenten Depression zugelassen. Und auch darüber hinaus sind Psychdelika und ähnliche Stoffe ins Rampenlicht gerückt: Am Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit läuft eine Psilocibin-Studie zur Behandlung der Depression, in der kanadischen Provinz Alberta dürfen seit 2023 Psilocybin, LSD, MDMA, Meskalin, Ketamin und DMT zu psychotherapeutischen Zwecken eingesetzt werden, in der Schweiz liefen in der jüngeren Vergangenheit Studien zu LSD bei Depression und Angststörung und in Tübingen wird zu DMT bei therapieresistenter Depression geforscht. Doch wie sieht die Forschungslage derzeit eigentlich aus? Und handelt es sich beim Psychdelikaboom wirklich um ein neues Phänomen?

Kein neues Phänomen

Dass Cannabis auf Rezept abgegeben wird, etwa bei Nordleaf, gilt hierzulande heute als kleine Sensation. Dabei ist historisch betrachtet kein neues Phänomen, dass psychdelische und ähnlich wirkende Substanzen zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden. Während Cannabisprodukte heute primär bei körperlichen Leiden verschrieben werden, wurden Psychdelika typischerweise bei psychischen Erkrankungen und ähnlichen Phänomenen eingesetzt. Außerhalb der westlichen Medizin werden psychoaktive Substanzen seit Jahrhunderten etwa im Schamanismus eingesetzt. Ayahuasca etwa, das DMT enthält, wird bei einigen indigenen Völkern rituell verwendet. Schaman*innen wollen so in einen veränderten Bewusstseinszustand gelangen, der es ihnen erlauben soll, mit Geistern und Ahnen zu kommunizieren, die Zukunft vorauszusehen oder Heilung bei physischen wie psychischen Erkrankungen zu initiieren.
Doch auch innerhalb der westlichen Medizin ist der Einsatz entsprechender Substanzen keineswegs neu. Bereits 1931 setzte der Psychoanalytiker Dario Baroni Mescalin und Stechapfelsamen im therapeutischen Kontext ein. Auch LSD wurde bereits 1949 im Kontext von Psychotherapien eingesetzt: Als Medikament wurde es mit der Indikation „zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie, besonders bei Angst- und Zwangsneurosen“ zugelassen. Im Rahmen des von US-Präsident Richard Nixon ausgerufenen War on Drugs, der von den westlichen Verbündeten mitgetragen wurde (ausgedrückt im Übereinkommen über psychotrope Stoffe der UN von 1971, kam der Gebrauch entsprechender Substanzen, die größtenteils illegalisiert wurden, weitgehend zum Erliegen. Sog. psycholytische Psychotherapien, im Rahmen derer Psychedelika die Abwehr schwächen und so zu den Zugang zum Unbewussten erleichtern sollten, wurden – wenn überhaupt – in den meisten westlichen Ländern nur noch illegal durchgeführt. Auch zu Forschungszwecken durften entsprechende Substanzen kaum noch verwendet werden, sodass bereits angestoßene Prozesse nicht weitergeführt werden kann. Beispielhaft kann hier etwa auf die Europäische Ärztliche Gesellschaft für psycholytische Therapie verwiesen werden, die 1960 gegründet wurde und bereits 1971 aufgrund der genannten Entwicklungen ihre Tätigkeiten einstellte.
Vor diesem Hintergrund kann die verstärkte Forschung zum psychotherapeutischen bzw. psychiatrischen Potential psychedelischer und ähnlicher Substanzen eher als Wiederaufnahme einer ins Abseits geratenen Forschungsrichtung denn als völlig neues Phänomen verstanden werden. Eine Ausnahme, die hier jedoch nicht näher behandelt werden soll, stellt in dieser Hinsicht die Schweiz dar: Dort werden bereits seit 1988 Sondergenehmigung für den Einsatz von LSD und MDMA im Rahmen der Psychotherapie vergeben – was in Deutschland außerhalb klinischer Studien bis heute nicht möglich ist.

Studienlage zum Einsatz von Psychdelika und Co bei psychischen Erkrankungen

Die Studienergebnisse zum Einsatz von Psychedelika bei psychischen Erkrankungen sind insgesamt vielversprechend. Hinzuweisen ist hier einschränkend darauf, dass die Substanzen nur bei bestimmten Erkrankungen und meist nur im Zusammenhang mit Psychotherapie untersucht wurden. Letzterer Aspekt stellt dabei keine Einschränkung dar: Die meisten Forschenden interessieren sich bewusst für eine durch Psychdelika oder Dissoziativa begleitete Psychotherapie und nicht für die Entwicklung einer rein substanzbasierten Therapie. Für die Ableitung von Aussagen zur Wirksamkeit ergeben sich daraus teilweise nichtsdestotrotz Schwierigkeiten. Bei den meisten Substanzen mangelt es indes noch an qualitativ hochwertigen Studien, die auch einen längeren Beobachtungszeitraum abdecken.

LSD bei Depressionen und Angststörungen

Aktuelle Studien liegen etwa zu LSD vor. Forschende der Universität Basel konnten etwa zeigen, dass die hochdosierte Gabe von LSD sowohl bei Depressionen als auch bei Angststörungen über mehrere Wochen hinweg Wirkungen entfaltet und die Symptome signifikant reduziert. Für Angststörungen konnte sogar bei einer Folgeerhebung nach vier Monaten noch eine deutliche Verringerung der Symptome nachgewiesen werden. Was jedoch auch ersichtlich ist, ist der große Aufwand, den eine LSD-Behandlung mit sich bringt: Aufgrund der Wirkdauer von zehn bis zwölf Stunden ist hier eine lange medizinische und psychotherapeutische Betreuung nötig.

Psilocybin bei Depressionen

Weniger eindeutig ist die Forschungslage zu Psilocybin. Während erste Pilotstudien auf anhaltende antidepressive Effekte hindeuten, konnte eine umfangreiche Studie des Zentralinstituts für seelische Gesundheit Mannheim und der Charité Berlin keine anhaltende antidepressive Wirkung zeigen. Sehr wohl erkennbar war jedoch ein signifikantes kurzzeitiges Ansprechen auf die Psilocybingabe.

Ketamin bei Depressionen

Neben Psychedelika wird mit Ketamin heute auch ein Dissoziativum in der Depressiontherapie eingesetzt. Anders als alle anderen zugelassenen Antidepressiva zeigt Ketamin eine sofortige Wirkung – bei klassischen Antidepressiva tritt die Wirkung erst nach zwei bis drei Wochen ein. Das macht den Wirkstoff insbesondere bei psychiatrischen Notfällen mit akuter Suizidalität interessant. Bei dieser Indikation sowie bei therapieresistenter Depression wird Ketamin in Form eines Nasensprays nach erfolgreichen klinischen Studien heute auch in Deutschland eingesetzt. Daneben kommen Ketamininfusionen als Off-Label-Behandlung zum Einsatz. Die Rauschwirkung des Dissoziativums ist der von Psychedelika ähnlich, beruht jedoch auf einer anderen Rezeptorbindung als bei diesen. Der Off-Label-Einsatz ist in Deutschland möglich, da Ketamin als Anästhetikum bereits zugelassen ist. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit von Ketamin bei der Linderung depressiver Symptome als bewiesen gelten kann. Ferner hat sich ergeben, dass die Wirkung einige Tage nach der Infusion nachlässt. Werden über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Infusionen gegeben, so hält die Wirkung nach der letzten Infusion jedoch deutlich länger an als bei nur einmaliger Gabe.

Risiken und Nebenwirkungen

In medizinischen Kontexten eingesetzte Psychedelika und Dissoziativa gelten als sicher. Das Nebenwirkungspotential der Substanzen ist jedoch nicht gering, weshalb eine enge ärztliche Betreuung nötig ist, um nötigenfalls schnell intervenieren zu können. Auch auf Wechselwirkungen mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten ist zu achten. Aus diesem Grund – und da nur im medizinisch kontrollierten Setting die Reinheit der Substanz garantiert werden kann – ist von Eigentherapien in jedem Falle abzuraten.
Alle Psychedelika und Dissoziative können kurzzeitig starke Angstepisoden hervorrufen sowie zu substanzinduzierten Psychosen führen. Daneben sind auch körperliche Nebenwirkungen wie ein gesteigerter Herzschlag, ein erhöhter Blutdruck oder Kreislaufbeschwerden möglich. Relativ häufig ist darüber hinaus Übelkeit. Die zu erwartenden Risiken und Komplikationen unterscheiden sich jedoch von Substanz zu Substanz. Eine ausführliche Beratung sowie der Ausschluss von Kontraindikationen werden durch die ärztliche Betreuung gewährleistet. So ist es üblich, vor der Gabe die Vitalparameter zu messen, eine ausführliche Krankengeschichte zu erheben und gegebenenfalls weitere Diagnostik (etwa per EKG) zu betreiben, um das Komplikationsrisiko zu minimieren.

Fazit: Dissoziativa und Psychedelika in der Psychotherapie

Abschließend lässt sich damit festhalten, dass Psychedelika und das Dissoziativum Ketamin vielversprechende Stoffe für die Behandlung psychischer Erkrankungen darstellen. Während die antidepressive Wirkung von Ketamin bereits heute als erwiesen gilt, ist bei den meisten anderen Substanzen jedoch weitere Forschung nötig, um Wirksamkeit, Wirkbedingungen und Risiken zu ermitteln. Hierzu laufen derzeit weltweit zahlreiche Studien, sodass in den nächsten Jahren mit einem deutlichen Erkenntnisgewinn in diesem Bereich zu rechnen ist. Was den Einsatz in der Praxis bei positiver Evaluation jedoch deutlich erschweren dürfte, sind die weitgehend restriktiven Drogengesetze.

Quellen

https://www.biologicalpsychiatryjournal.com/article/S0006-3223(22)01553-0/fulltext
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666634025001527?via%3Dihub
https://saept.ch/uber-uns/
https://link.springer.com/article/10.1007/s15005-024-4209-z
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33065824/