„Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern“, behauptet ein Zitat, das Konfuzius zugeschrieben wird. Andere große Denker*innen der Weltgeschichte setzen es gleich mit Freund*innen, mit Liebe gleich, mit Selbstgenügsamkeit, einem schlechten Gedächtnis oder einfach einer ganz bestimmten inneren Haltung. Wie man es auch definiert: Der Mensch will glücklich sein – aber wie geht das eigentlich und kann man Glück festhalten?
Ein Blick auf die Statistiken der Krankenkassen ist ernüchternd: Während lange Zeit Rückenschmerzen die unangefochtene Nummer eins der Gründe für Krankschreibungen war, sind inzwischen psychische Erkrankungen extrem auf dem Vormarsch. Neben Angsterkrankungen ist es besonders die Depression, mit der der moderne Mensch zu kämpfen hat. Glück? Das haben andere, würde so jemand vermutlich sagen.
Ständige Jagd nach dem Glück
Doch auch die vermeintlich normalen Menschen sind auf der ständigen Jagd nach dem Glück, tragen deshalb vorsichtshalber auch mal Glückssymbole wie eine Hasenpfote bei sich, hängen ein Hufeisen über die Haustür (aber bitte richtig herum, da sonst das Glück ja herausfällt!) und freuen sich, wenn sie ein vierblättriges Kleeblatt finden. Wer wenig Geld hat, hofft vielleicht auf einen Lottogewinn, wer einsam ist, dagegen auf den perfekten Partner – oder ein anhängliches Haustier. Aber wird einem der Wunsch erfüllt, verliert das Glücksobjekt häufig erstaunlich schnell an Faszination und man sucht direkt nach dem nächsten „Glücks-Kick“. Denn wir alle möchten dieses überaus angenehme Gefühl am liebsten durchgängig empfinden.
Warum scheitern Glücksrezepte?
Um uns dabei zu helfen, gibt es inzwischen sogar eine kaum mehr überschaubare Bandbreite an Ratgeberliteratur – angefangen mit Klassikern der Weltliteratur, etwa der Nikomachischen Ethik des antiken Philosophen Aristoteles, bis hin zu modernen Glückstipps mit Glücksprogramm für jeden Tag. Gängige Antworten sind beispielsweise: positiv denken oder ein achtsamer Blick auf die kleinen Dinge des Alltags. Mehr Sex haben – oder weniger. Entspannen. Sport treiben. Dennoch werden wir offensichtlich immer unglücklicher. Was läuft hier schief? Scheitern wir am eigenen Anspruch, unbedingt glücklich werden zu wollen?
Eigene Forschungsrichtung
Tatsache ist, das „Streben nach Glück“ hat es sogar als ureigenstes Freiheitsrecht des Menschen in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung geschafft und dazu wird intensiv geforscht. So interessieren sich Neurobiolog*innen, Mediziner*innen, Soziolog*innen, Psycholog*innen und Philosoph*innen hierfür und setzen sich damit intensiv auseinander. Regelmäßig wird von den Vereinten Nationen der World Happiness Report veröffentlicht und die Ergebnisse der Glücksforschung sind inzwischen die Basis der Arbeit von Marketing-Fachleuten. Wobei für dieses Glück eher eine gewisse Lebenszufriedenheit ist.
Ist jeder selbst verantwortlich?
Aber kann das stimmen? Wer in Gedanken die unterschiedlichen Glücksmomente in seinem Leben vergleicht, wird schnell feststellen, wie vielschichtig unser Glücksempfinden tatsächlich ist. Da gibt es ebenso eine ekstatische Freude wie auch ein eher friedvolles Gefühl, rundum zufrieden zu sein. Darüber hinaus gibt es diesen Moment der Erleichterung, wenn etwas gut ausgeht. Ist all das Glück? Oder unterscheidet es sich davon? Wenn ja, inwiefern? Und wie sieht es aus mit der Verantwortlichkeit eines Menschen für sein Glück? Der Volksmund behauptet ja bekanntlich: „Jeder ist seines Glückes Schmied“ – hat demnach jede*r, der*die nicht glücklich ist, schlicht und ergreifend versagt?
Biologie: Glück entzaubert?
Wir wissen inzwischen, welche chemischen Prozesse in unserem Gehirn am Werk sind, wenn wir ein Glücksgefühl haben, und wie unser Körper darauf reagiert. So schlägt beispielsweise das Herz schneller, unsere Haut wird besser durchblutet und ihr elektrischer Widerstand sind. Evolutionsbiologen haben entdeckt, dass das Glücksgefühl ursprünglich entstanden sein muss, um uns die Fortpflanzung schmackhafter zu machen. Es ist also eine Art Belohnungsfunktion für … Sex und die Nachkommen. Dies spiegelt sich auch heute noch in der Tatsache wider, dass die allermeisten Menschen (35 %) auf die Frage, was sie am meisten glücklich gemacht hätte, antworten: die Kinder bzw. Enkel*innen. Nur gerade einmal 9 % entgegnen: mein*e Partner*in …
Das Glück im Wandel der Zeit
Die Wissenschaftsdisziplin, die sich am längsten und am intensivsten mit der Frage „Was ist eigentlich Glück?“ auseinandergesetzt hat, ist die Philosophie. Seit der Antike sind immer wieder entsprechende Betrachtungen zu beobachten. Schon damals wurde unterschieden zwischen „Glück haben“ und „glücklich sein“, so wie dies heutzutage auch noch in diversen Sprachen geschieht. Diese Unterscheidung folgt der Erkenntnis, dass es ein Glück gibt, welches vom Zufall abhängt, sowie einen seelischen Glückszustand, der guten Menschen zu eigen ist.
Die antiken Philosophen suchten noch nach objektiven Glücksmaßstäben, deren Einhaltung für Glück sorgen sollte („Erfüllungsglück“). Während Aristoteles Glück als Maßhalten und die Mitte zwischen den Extremen definierte, war es für die Stoa die Abwesenheit von Leidenschaften, während die Hedonisten eine lustbetonte Lebensweise propagierten. Heutzutage steht dagegen das individuelle Glück des*r Einzelnen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, was einhergeht mit der zunehmenden Bedeutung des Individuums, der Einzelperson. In der heutigen „Ellenbogengesellschaft“ steht Individualität über allem, je unverwechselbarer jemand ist, desto besser.
Was Glück ist, entscheidet jede*r selbst
Insofern hat sich auch der Blick auf das Glück gewandelt. Es ist nicht länger eine einheitliche Norm für eine Gesellschaft, sondern Glück ist immer das Glück des*r Einzelnen – entsprechend seiner*ihrer ganz individuellen Neigungen, Wünsche, Vorlieben, Stärken. Glück ist persönlich und verändert sich permanent mit dem jeweiligen Menschen. Es gibt also nicht mehr nur ein Glück, sondern Glück existiert in 7,77 Milliarden verschiedenen Ausprägungen weltweit.