Stress belastet uns. Hierbei nehmen wir die Überlastung sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene wahr – was kaum verwunderlich ist, handelt es sich bei der Stressreaktion den allermeisten Stresstheorien zufolge doch um eine körperliche Anpassungsreaktion. Doch wie genau sieht die körperliche Stressreaktion aus und zu welchen körperlichen Beschwerden kann Stress führen?
Die Stressreaktion: Was passiert bei Stress im Körper?
Unterschieden werden muss zunächst zwischen akutem und chronischem Stress. Der akute Stress ist anlassbezogen und von sehr kurzer Dauer. Hier kommt es aufgrund eines starken äußeren Reizes kurzzeitig zu einer massiven Ausschüttung bestimmter Hormone, die etwa den Herzschlag steigern und zu Wachsamkeit führen. Chronischer Stress hingegen stellt sich bei dauerhafter Überlastung ein. Hier findet sich kein markanter Auslöser und die Ausschüttung von Stresshormonen erreicht keinen so hohen Peak wie beim akuten Stress, ist aber über einen längeren Zeitraum hinweg erhöht. Anzumerken ist bereits hier, dass die Frage, was bei Stress im Körper passiere, aus rein biologischer Sicht zurückzuweisen ist: Die beschriebene Reaktion vollzieht sich nicht bei Stress, sie ist der Stress.
Gemein ist beiden Stressformen auf körperlicher Ebene eine Veränderung des Hormonhaushalts. Freigesetzt werden vor allem Adrenalin und Noradrenalin, die den Herzschlag steigern, den Blutdruck erhöhen, die Muskelspannung steigern und für die Freisetzung von Zucker sorgen. Sie stellen auf diese Weise die körperliche Leistungsfähigkeit sicher. Darüber hinaus wird das Hormon Adrenocorticotropin ausgeschüttet, das die Nebenniere dazu anregt, Kortisol auszuschütten. Dieses Hormon wiederum hat zahlreiche Wirkungen im gesamten Körper. In Kombination mit Adrenalin und Noradrenalin trägt es zur Leistungsfähigkeit bei.
Evolutionsbiologisch betrachtet ist die Ausschüttung dieser Hormone in außergewöhnlichen Situationen, die schnelle Reaktionen erfordern, sog. Fight-or-Flight-Situationen, durchaus sinnvoll. Ebbt die Stressreaktion jedoch nicht nach der Konfrontation mit dem Stressor ab, sondern schwelt weiter, kommt es zu Problemen. Das wiederum ist in der heutigen Zeit häufig der Fall, da wir es nicht mehr vornehmlich mit isolierten massiven Stressoren – etwa der Begegnung mit einem Mammut – zu tun haben, sondern mit unterschwelligen, dafür aber permanent vorhandenen Stressoren. Zu denken ist hier etwa an die Arbeitswelt.
Körperliche Auswirkungen: Wie verändert der Körper sich bei chronischem Stress?
Entfalten die genannten Stresshormone, allen voran das Kortisol, ihre Wirkung über einen längeren Zeitraum hinweg, kommt es zu typischen Veränderungen des Körpers – und auch der Psyche. Zu nennen sind hier etwa Gedächtnisprobleme, Denkschwierigkeiten, Schlafstörungen, Stoffwechselstörungen, Übergewicht oder psychische Erkrankungen. Ab wann Stress schädigend wirkt, ist dabei interindividuell verschieden. Zurückzuführen ist das – biologisch betrachtet – darauf, dass die nötige Intensität von Stressoren für das Einsetzen einer Stressreaktion ebenso wie die Menge der ausgeschütteten Stresshormone von Person zu Person verschieden ist. Das wiederum kann auf genetische Unterschiede, aber auch auf unterschiedliche psychosoziale Bedingungen zurückgeführt werden. So zeigen Studien etwa, dass Menschen, die früh traumatische Erfahrungen gemacht haben, unter bestimmten Bedingungen deutlich eher zu Stressreaktionen neigen und für negative Folgen dieser Stressreaktionen deutlich anfälliger sind.
Auswirkungen hat chronischer Stress nachgewiesenermaßen ferner auf das Immunsystem, den Blutdruck, das Herz-Kreislauf-System, das Schmerzempfinden sowie die Libido. Verantwortlich gemacht wird er außerdem – mit weniger eindeutiger empirischer Evidenz – für eine ganze Reihe anderer Beschwerden. So wird etwa gemutmaßt, dass auch Nasenbluten durch Stress entstehen kann.
Zurückzuführen sind alle Beschwerden, die im Rahmen des chronischen Stresses auftreten, auf körperliche Veränderungen, die durch die Wirkung der Stresshormone induziert werden. Neben der beschriebenen Erhöhung des Blutdrucks und des Stoffwechsels, die auch bei der akuten Stressreaktion auftreten, sind hier vor allem Veränderungen der Hirnsubstanz zu beobachten. Diese stellen sich erst bei längerer Einwirkung der Stresshormone ein. Beschrieben sind etwa Veränderungen des präfrontalen Cortex. Diese Hirnregion ist für die Integration von Gedächtnisinhalten ebenso zuständig wie für emotionale Bewertungen, Emotionsregulation und Handlungssteuerung. Auch der Hippocampus, der für die Überführung von Inhalten vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis zuständig ist, verändert sich bei chronischem Stress.
Fazit: Stress als körperliche Reaktion
Aus Sicht der Biologie muss Stress zusammengefasst also als körperliche Reaktion auf außergewöhnliche Belastungen verstanden werden, bei der es zu deutlichen Veränderungen des Hormonhaushalts kommt. Diese Reaktion kann sowohl akut als auch chronisch auftreten, wobei das chronische Auftreten zu dauerhaften Veränderungen des Körpers führen kann – was wiederum Probleme mit sich bringt. Reduzieren lässt sich das Phänomen Stress jedoch nicht auf diese körperlichen Fakten. So weisen etwa das transaktionale Stressmodell oder das SOS-Konzept darauf hin, dass auch subjektive Faktoren, die nicht rein biologisch bestimmt und nicht zwangsläufig gemessen werden können, die Stressreaktion mitbestimmen können.