Nach Albert Bandura ist Selbstwirksamkeit die Überzeugung einer Person, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können. Unsere Selbstwirksamkeitserwartungen werden gesteuert durch unsere Selbstwahrnehmung. Sie spielt damit eine wichtige Rolle hinsichtlich unserer Ambitionen und Ergebniserwartungen und bestimmt unsere Antriebe und Entscheidungen maßgeblich.
Wer war Albert Bandura?
Albert Bandura (1925 bis 2021) gilt als einer der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeit hat die Psychologie und die Verhaltenswissenschaften stark beeinflusst. Bandura wurde vor allem für seine Arbeit im Bereich der sozialen Lerntheorie und der Selbstwirksamkeitserwartung bekannt.
Im Rahmen seiner sogenannten Bobo-Puppen-Studie untersuchte Bandura Aggressionen und den Einfluss der Medien auf gewalttätiges Verhalten. Bandura kam zu dem Ergebnis, dass menschliches Verhalten nicht nur durch Belohnung und Bestrafung beeinflusst, sondern auch durch einen Prozess der Modellierung, des Lernens am Modell, erlernt wird. Kinder lernen von ihrer Umgebung und neigen dazu, Verhaltensweisen und Aktivitäten zu imitieren, die sie bei Eltern und Gleichaltrigen beobachten. Dieses Konzept wird als soziales Lernen bezeichnet. Banduras frühe Arbeiten zur sozialen Modellierung gingen in die Forschung zur Selbstentwicklung über. Diese führte letztlich zu der Theorie, dass der Glaube der Menschen an ihre Fähigkeiten ein entscheidender Faktor für ihren Erfolg ist. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten soll Gedanken, Motivation und Handlungen beeinflussen.
Bandura argumentiert diesbezüglich, dass die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung die Motivation und das Verhalten einer Person beeinflusst und dass die Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung zu einem höheren Engagement und einer höheren Leistung führen kann.
Die vier Faktoren der Selbstwirksamkeit
Bandura benennt vier Faktoren, die im Rahmen der Entwicklung von Selbstwirksamkeit von Bedeutung sind. Dazu gehören die Verarbeitung von Erfahrungen, die Nachahmung erfolgreicher Modelle, die Ermutigung durch andere und physiologische Einflüsse. Diese vier Faktoren bilden die Grundlage für die Selbstwirksamkeitsüberzeugung.
- Bewältigungserfahrungen: Erlebte positive Erfahrungen tragen zu einem höheren Gefühl der Selbstwirksamkeit bei. So können beispielsweise gute Leistungen in der Schule oder positive Rückmeldungen am Arbeitsplatz das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken. Negative Erfahrungen hingegen können das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und damit die Selbstwirksamkeit verringern.
- Soziales Modellieren: Wenn wir mit anderen Personen in Kontakt kommen, die erfolgreich sind bzw. die von uns als erfolgreich wahrgenommen werden, neigen wir dazu, uns diese Personen zum Vorbild zu nehmen. Wir ahmen ihr Verhalten nach und lassen uns so von den Leistungen anderer beeinflussen. Auch durch diese Nachahmung steigt unsere Selbstwirksamkeitserwartung.
- Ermutigung: Wenn andere ihr Vertrauen in unsere Fähigkeit durch Bestätigungen zum Ausdruck bringen, werden wir zu höheren Leistungen ermutigt. Ermutigen können wir uns aber auch selbst.
- Physiologische Zustände: Menschen können ihre physiologischen Signale so interpretieren, dass sie die Selbstwirksamkeit erhöhen oder auch verringern. Erleben wir beispielsweise vor einem öffentlichen Auftritt einen erhöhten Adrenalinspiegel, kann dies als Panik interpretiert werden und Versagensängste hervorrufen. Die Aufregung kann aber auch als Enthusiasmus wahrgenommen werden und uns bestärken.
Selbstwirksamkeit nach Bandura: Formen und Wirkungen
Die Selbstwirksamkeit – auch Selbstwirksamkeitserwartung oder -überzeugung genannt – bezieht sich wie bereits festgestellt auf die Überzeugung einer Person, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung kann entweder hoch und positiv oder niedrig und negativ sein. Sie beeinflusst das Verhalten, die Motivation und die Emotionen einer Person.
Eine hohe Selbstwirksamkeit bedeutet, dass jemand davon überzeugt ist, eine Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können. Diese Personen neigen dazu, sich auch Schwierigkeiten zu stellen. Misserfolge werden eher als Herausforderungen und Gelegenheit, etwas zu lernen, betrachtet. Sie sind oft motiviert, sich weiterzuentwickeln und ihre Fähigkeiten zu verbessern.
Auf der anderen Seite haben Personen mit niedriger Selbstwirksamkeitsüberzeugung eher das Gefühl, dass sie nicht in der Lage sind, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können. Sie neigen dazu, Herausforderungen zu vermeiden, und leiden gegebenenfalls unter Versagensängsten. Misserfolge wirken auf sie demotivierend und vermitteln ein Gefühl des Kontrollverlusts. Menschen mit geringer Selbstwirksamkeitsüberzeugung empfinden sich häufig als Opfer äußerer Umstände.
Wer eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung hat, neigt zu einer positiveren Grundeinstellung und erlebt seltener Stress. Menschen mit einem schwachen Selbstwirksamkeitsgefühl hingegen haben weniger Vertrauen in mögliche Ergebnisse ihrer Handlungen und tendieren eher zu Stress oder gar zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen.
Selbstwirksamkeit darf jedoch nicht mit dem Selbstwertgefühl verwechselt werden. Das Konzept der Selbstwirksamkeit ist auf das Handeln, auf das Gefühl, einer Aufgabe gewachsen zu sein, und die Handlungskonsequenzen dieser Überzeugung, bezogen. Das Selbstwertgefühl hingegen fokussiert eher einen allgemeinen Ist-Zustand. Doch kann ein hohes Selbstwertgefühl einen stärkenden Einfluss auf die Selbstwirksamkeit haben und umgekehrt.
Kontextspezifische und verallgemeinerte Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen können kontextspezifisch sein. Eine Person kann beispielsweise eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung in Bezug auf ihre Fähigkeit haben, Aufgaben im beruflichen Kontext zu bewältigen, aber eine niedrige Selbstwirksamkeitsüberzeugung in Bezug auf ihre Fähigkeit, erfolgreiche Beziehungen zu führen. Auf der anderen Seite kann die Selbstwirksamkeit über Situationen und Szenarien hinweg verallgemeinert werden. So kann eine Person, die Schwierigkeiten damit hat, Fremdsprachen zu erlernen, auch in anderen Bereichen nachlässig werden, weil sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass Lernen ihr grundsätzlich schwerfällt.
Selbstwirksamkeitserwartung beeinflussen
Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung kann positiv gestärkt werden. Dies ist durch unterschiedliche Maßnahmen möglich – beispielsweise durch die Ermutigung zur Übernahme von Herausforderungen, durch positives Feedback und durch die Bereitstellung von Gelegenheiten zur Verbesserung der Fähigkeiten. Personen mit niedriger Selbstwirksamkeitsüberzeugung können von der Identifikation erfolgreicher Modelle profitieren.
Im Unterschied zu anderen (traditionellen) psychologischen Konstrukten setzt die Selbstwirksamkeitstheorie nach Bandura den Fokus auf Handlungen und Verhalten. Sie konzentriert sich auf die Überzeugung einer Person, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können, und wie diese Überzeugung das Verhalten und die Handlungen der Person beeinflusst. Traditionelle psychologische Konstrukte konzentrieren sich hingegen oft auf Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungen und Emotionen. Diese werden meist als stabil betrachtet, während die Theorie der Selbstwirksamkeit nach Bandura gerade die Beeinflussbarkeit der eigenen Erwartungen und der daraus folgenden Handlungen in den Fokus rückt. Insgesamt betrachtet betont die Selbstwirksamkeitstheorie damit stark eine aktive Rolle der Person in ihrem eigenen Verhalten und ihrer eigenen Motivation – und die Bedeutung von Erfolgserlebnissen, Vorbildern und Bestärkung in der Veränderung dieser Aspekte.
Banduras Selbstwirksamkeitstheorie und das Konzept der Motivation
Banduras Theorie der Selbstwirksamkeit steht damit erkennbar in engem Zusammenhang mit dem Konzept der Motivation. Denn die Selbstwirksamkeitserwartung ist ein wichtiger Faktor bei Entstehung und Aufrechterhaltung von Motivation. Wenn eine Person davon überzeugt ist, dass sie in der Lage ist, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen, ist sie eher motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen und erfolgreich abzuschließen. Darüber hinaus sind Personen mit einem hohen Maß an Selbstwirksamkeit eher in der Lage, nach einem Misserfolg wieder aufzustehen, sich zu erholen und gegebenenfalls einen neuen Versuch zu wagen.
Dementsprechend kann eine Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung als ein Mittel zur Förderung der Motivation und des Lernens angesehen werden. Eine Person kann ihre Selbstwirksamkeitserwartung durch Erfolgserlebnisse, positives Feedback, positive Verstärkung und die Beobachtung erfolgreicher Modelle verbessern, was wiederum zu einer höheren Motivation und einem höheren Engagement führen kann. Bedeutsam ist Banduras Konzept damit sowohl in der Psychotherapie als auch in wirtschaftspsychologischen oder didaktischen Kontexten.
Kritik an Banduras Konzept der Selbstwirksamkeit
Die Verhaltenstheorie Banduras und das damit im Zusammenhang stehende Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung hat einen maßgeblichen Einfluss auf verschiedene Forschungsfelder gehabt. Empirische Befunde belegen, dass mittels Selbstwirksamkeitsindikatoren kognitive, motivationale und affektive Aspekte der Verhaltensregulation verhältnismäßig gut vorhergesagt werden können. Die Selbstwirksamkeit wurde zu einer Erklärung für Werdegang und Entwicklung eines Menschen in verschiedenen Lebensbereichen – beim Lernen, im Beruf, in Beziehungen, bei persönlichem Engagement. Doch gibt es auch Kritikpunkte an Banduras Konzept und Theorie.
So wird eine mangelnde Berücksichtigung von sozialen und strukturellen Aspekten angemerkt. Denn Banduras Konzept der Selbstwirksamkeit legt den Schwerpunkt auf individuelle Faktoren und berücksichtigt nicht ausreichend soziale und strukturelle Faktoren, die das Verhalten beeinflussen können. Zum Beispiel können Diskriminierung oder Vorurteile in der Gesellschaft die Selbstwirksamkeit von bestimmten Gruppen beeinträchtigen.
In engem Zusammenhang mit diesem Punkt steht die Überbetonung der individuellen Verantwortung. Es besteht die Gefahr, die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg ausschließlich auf individuelle Fähigkeit und Motivation zu legen, was einen sich negativ auswirkenden Druck auf einzelne Personen ausüben kann. Darüber hinaus wird Bandura vorgeworfen, dass seine Theorie zu stark auf kurzfristige Erfolge fokussiert ist. Langfristige Ziele und Prozesse würden vernachlässigt. Dies kann dazu führen, dass die langfristigen Auswirkungen eines Verhaltens nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Des Weiteren bemerken Kritiker*innen eine zu geringe Einbeziehung von Emotionen. Das Konzept der Selbstwirksamkeit berücksichtigt die Rolle von Emotionen und deren Einfluss auf das Verhalten nur in geringem Maße. Dabei können emotionale Zustände die Selbstwirksamkeit (kurzfristig) beeinträchtigen und sollten daher stärker in Betracht gezogen werden.
Quellen:
Abderhalden, Irene; Jüngling, Kerstin (2019): Selbstwirksamkeit. Eine Orientierungshilfe für Projekt- und Programmleitende der kantonalen Aktionsprogramme zur Förderung von Selbstwirksamkeit und Lebenskompetenzen. Bern. Online verfügbar unter: https://iguk.de/wp-content/uploads/KJ_Selbstwirksamkeit-1.pdf (Zugriff am 07.04.2023).
Krapp, Andreas und Ryan, Richard M. (2002): „Selbstwirksamkeit und Lernmotivation. Eine kritische Betrachtung der Theorie von Bandura aus der Sicht der Selbstbestimmungstheorie und der pädagogisch-psychologischen Interessentheorie“. In: Zeitschrift für Pädagogik (Beiheft), Januar 2002. Online verfügbar unter: https://ilias3.uni-stuttgart.de/goto_Uni_Stuttgart_file_1843256_download.html (Zugriff am 07.04.2023).
Sieder, Valerie: Zusammenhang von Selbstwirksamkeit und Motivation auf den Erfolg des Lernprozesses in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung. Karl-Franzens-Universität Graz, 2019: https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/4051515/full.pdf (Zugriff am 07.04.2023)
Meszaros, Kurt (2000): „Modelllernen“. In: Stumm, Gerhard; Pritz, Alfred (Hrsg.): Wörterbuch der Psychotherapie. Wien/New York: Springer.